March 3, 2011

"Aber doch nicht so"

Wie der Zürcher Künstler Fredi Fischli in die Berliner Politik geriet.

Es ging schnell für Fredi. Im Oktober erhielt der Zürcher Bachelorstudent der Kunstgeschichte eine Einladung, sich als Mitglied des Kuratorenteams einer hoch dotierten Kunstausstellung vorzustellen. Im November kam Fredi, Sohn des bekannten Künstlers Peter Fischli, in die größte Schlacht Berliner Kulturschaffender seit der Jahrtausendwende. Und jetzt steht der 23-Jährige zwischen den Fronten.


Der Konflikt dreht sich um eine zu Beginn als "Leistungsschau" bezeichnete temporäre Kunsthalle; es ist eine 1,7 Millionen Euro schwere Ausstellung, die vom 8. Juni bis 24. Juli das aktuelle Berliner Kunstschaffen reflektieren soll. Dass Berlin, das jährlich 4 Millionen Euro für die Kunstförderung aufbringt, im Wahlkampfsommer so viel lockermachen kann, stieß Kritikern sauer auf. Flugs baute sich ein Zweifrontenkampf auf. Tausende Künstler unterzeichneten einen offenen Brief an Bürgermeister Klaus Wowereit, in dem auch der Auswahlprozess der Jungkuratoren mit Fredi Fischli kritisiert wird.


Die Kritiker schießen scharf. Fischli sei als unerfahrener Kurator von außen in ein Kulturpolitik-Schlachtfeld hineingeraten, dem er nicht gewachsen sei, meint Ellen Blumenstein, Mitinitiatorin des Briefes. Nicht, was auf der Leistungsschau am Ende ausgestellt werde, sei wichtig, sondern die Debatte über das Wie, über Freiräume und Arbeitsbedingungen.


Dass die Berliner Kulturlandschaft politisiert sei, habe er gewusst, stöhnt Fischli, "aber doch nicht so". Er sehe sich gar nicht als Goliath im David-gegen-Goliath-Paradigma. Die Jungkuratoren wurden von einem dreiköpfigen, renommierten Gremium erlesen. Während auch die vier anderen – Angélique Campens, Scott Weaver, Magdalena Magiera, Jakob Schillinger – wie das Gros der Berliner Künstler nicht aus Berlin stammen, bringen sie doch, anders als Fischli, einen internationalen Leistungsausweis mit.


Doch Fischli ist gradlinig. Er absolvierte Praktika bei der Matthew Marks Gallery New York und im Migros Museum für Gegenwartskunst, veranstaltete temporäre Ausstellungen in Zürich; an der Universität Zürich hielt er ein Tutorat übers Kuratieren. "Zudem lernte ich durch meinen Hintergrund schon früh, was und wie die Kunstwelt verhandelt", sagt er.


Als Fischli mit Partnern letzten Sommer in Zürich für kurze Zeit im Darsa Comfort Projekt einen Überblick über das Zürcher Kunstschaffen kuratierte, bemerkte ihn Hans-Ulrich Obrist, Teil des Gremiums der Leistungsschau. Obrist, 42, Schweizer, einer der visibelsten Kuratoren weltweit, erlangte als 23-jähriger Student Weltruhm, weil er unter anderem Werke von Fredis Vater bei einer Privatvernissage zeigen konnte.


Diesen Zusammenhang tut Fischli jr. ab: "Ich trat gegen vierzig Kandidaten an und kam als letztes Teammitglied hinzu. Gewählt haben mich alle drei Berater, neben Obrist auch Christine Macel und Klaus Biesenbach."


Aktuell versuchen die Jungkuratoren, sich in die Debatte einzubringen. Mehrfach verkündeten sie vor der Presse ihre Position, benannten die Leistungsschau um in "Based in Berlin" und integrierten unter anderem den Ausstellungsort Kunst-Werke ins Konzept: Das Team positioniert sich als Vermittler. Ob das klappt, liegt am Geschick der Jungkuratoren. Based in Berlin wird zur Leistungsschau für Fredi Fischli.

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