March 25, 2023

EIN TAG IM LEBEN von Sami Khouri

SAMI KHOURI (33) ist Zürichs schillerndster Gastronom. Er mag Fischsuppe, Brasilien und Loyalität.

Solche Stille beunruhigt mich schon fast. Niemand hat sich gemeldet, auch nicht per Whatsapp, so «Hey Sami, noch nichts abgebrannt in Zürich». Eigentlich höre ich gern von meinen Leuten. Ich bin gerade in Brasilien, in Trancoso bei Bahia, in einem Beach-Club, um mich rum sehe ich Palmen, Posadas und Meer. So Nature-Chic. Neben meiner Heimatstadt Zürich ist das hier mein Lieblingsplatz. Ich bin mit meinem Schatz hier, meine Frau ist Brasilianerin. Der Abend lässt sich schon am Morgen absehen: Es ist jetzt 11 Uhr früh, nachher gibts Essen, so Fischsuppe und Eintöpfe, alles richtig gut. Hier mache ich den ganzen Tag nichts.


Anders als sonst. Die letzten Jahre hatte ich fast keine Ferien. Ich arbeite sieben Tage die Woche, von morgens um neun bis in die Nacht. Der «Blick» nannte mich Gastro-Rockstar, aber mein Alltag ist eigentlich ziemlich langweilig. Meine Arbeit beginnt da, wo andere Spass haben. Vor zehn Jahren habe ich meine Falafelbude Palestine Grill an der Langstrasse aufgemacht – jetzt habe ich über 170 Angestellte. Heute ist die Falafelbude der kleinste Teil; daneben gibts einen Foodtruck, das Restaurant Les Halles und das Samigo Amusement mit den Burlesque-Shows und den Dragqueens.


Dann mach ich noch Events, für Freunde oder Firmen, die ich cool finde, und natürlich Zwischennutzungen. Aus einem ehemaligen Sushiladen haben wir einen temporären Asiamarkt gemacht. Alle, die auf meiner SMS-Liste waren, konnten rein. Man konnte einkaufen, es gab eine Bar, Snacks, selbstgebaute Automaten.
Die Leute lieben uns, weil wir uns positionieren. Manche Gastronomen sagen mir, dass sie nicht verraten, für welchen Fussballclub sie sind, aus Angst, Gäste zu verlieren. Wir hingegen sind FCZ-Fans, ganz öffentlich.


Normalerweise geht mein Tag sehr früh los, so um neun, im besten Fall kann ich vorher kurz Tennis spielen, dann folgt ein Meeting nach dem anderen. 95 Prozent meines Tages rede ich mit Mitarbeitern oder Lieferanten, dazwischen bin ich unterwegs von einem Restaurant zum nächsten. Die Arbeit reicht vom Reparieren einer Spüle bis zur Verhandlung mit Behörden. Richtig hart wirds ab Freitag, da arbeite ich durch bis Sonntagabend. Montag früh rufen dann die Handwerker an. Oder die Nachbarn, oder die Verwaltung.


Arbeitgeber in der Gastro in den Corona-Jahren, das war echt hart. In der Krise hab ich gemerkt, wie wichtig Loyalität ist. Dass es nur ein paar Leute gibt um einen rum: meine Frau, meine Schwester, die Eltern und eine Handvoll Freunde. Menschen sind viel wichtiger als Geld. Geld kommt und geht, ich verlier mal 300’000, dann gewinn ich sie wieder, aber verliere ich Menschen, lässt sich das nicht mehr reparieren.


Deswegen verstehe ich die Konzerne nicht, die bei mir wegen Mitarbeiterevents anfragen, aber nur ein Budget von 50 Franken pro Kopf haben. Ich hab 2022 ein gutes Jahr gehabt. Da hab ich mein Team eingeladen. Gesagt, wir machen einen Teamausflug zum Europapark. Dann aber ist unser Bus zum Flughafen abgebogen. Ich hatte ein Flugzeug gechartert, nach Split, ans Meer. Ein Tag lang Beach-Club, so wie ich jetzt. Danke schön an meine Leute.

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